Lisa Paus im Sportwerk Ochtrup: „Wir wollen Kinder mit Bock auf Zukunft“

Zahl des Abends: 746

Am Mittwoch, 05. April 2023, war Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend auf Einladung des Grünen Kreisverbandes Steinfurt zu Gast im Sportwerk Ochtrup. Weiter Gäste waren Bärbel Brengelmann-Teepe vom Paritätischen Wohlfahrtsverband des Kreises Steinfurt sowie Julian Lagemann, u.a. Mitglied im Vorstand der Deutschen Sportjugend und Vorsitzender des Kreisjugendring Steinfurt. Thema des Abends war die Kindergrundsicherung.

Die Moderation übernahm die Ochtruper Grüne Alexandra Schoo. Als Mitglied im Landesvorstand der Grünen NRW bringt sie ihre Erfahrungen aus Ihrer Arbeit als Jugendhilfeerzieherin ein und setzt sich täglich für die Rechte und Bedürfnisse von Kindern, Jugendlichen, Frauen* und Familien ein. Dabei ist ihr Beteiligung und echter Kinderschutz besonders wichtig.

Nach der Begrüßung und einleitende Worte durch Ines Brehe, Sprecherin des Kreisverbandes Steinfurt von Bündnis 90/Die Grünen bittet Alexandra Schoo die Gäste, sich und ihre Motivation im Bereich Kinder- und Jugendpolitik zu erklären.

Lisa Paus ist seit ca. einem Jahr im Amt als Bundesministerin für Familie, Frauen, Senioren und Jugend. Die Kindergrundsicherung ist ihr seit langem eine Herzensangelegenheit. Ihre Eltern waren zwar Unternehmer, aber trotzdem war ihre Kindheit „nicht auf Rosen gebettet“.

Sie erklärt, dass in der Kindergrundsicherung verschiedene Unterstützungsleistungen zusammengelegt werden. Das sind u.a. als Hauptbestandteil das Kindergeld, dazu Kinderfreibetrag, Leistungen aus dem Bundesteilhabegesetz und der Kinderzuschlag. Vor Allem der Kinderzuschlag ist bei viele Anspruchsberechtigten unbekannt, kompliziert zu beantragen und die Beantragung dauert teilweise 2 Jahre. Deshalb erhalten nur ca. 30% der Anspruchsberechtigten den Kinderzuschlag.

Ziel der Kindergrundsicherung ist, einen einfachen Online-Antrag zu stellen. Dann erhält man automatisch den Basisbetrag. Stimmt man der Kontaktaufnahme zum Finanzamt zu, können auf Basis der Finanzdaten weitere Ansprüche automatisch ermittelt und zusätzlich bewilligt werden, ohne das ein weiterer Antrag gestellt werden muss.

Bärbel Brengelmann-Teepe vom Paritätischer Wohlfahrtsverband des Kreises Steinfurt führt aus, das aktuell 11% aller Kinder in Familien mit Anspruch auf Hartz 4 aufwachsen. Armut ist -gerade ländlichen Gegenden wie dem Kreis Steinfurt- oft nicht sichtbar. Anträge auf Hartz 4 etc. zu stellen, ist oft schambehaftet, weil in ländlicher Region die Anträge in den Ämtern beispielsweise bei Bekannten aus dem gleichen Ort gestellt werden müssen. Plakativ führt sie aus: „Gegen Armut hilft Geld“.

Julian Lagemann, Mitglied im Vorstand der Deutschen Sportjugend und Vorsitzender des Kreisjugendring Steinfurt e.V. erklärt, dass viele Kinder und Jugendliche, auch aus sozial schwachen Haushalten Mitglied in Sportvereinen sind und dort Teilhabe erleben. Aber leider reichen die Leistungen nach dem Bundesteilhabegesetzt alleine oft nicht aus. Trikot und Sportschuhe brauchen Kinder häufiger neu als das bei Erwachsenen der Fall sei. Deshalb hat die Sportjugend NRW ein Förderprogramme aufgelegt. Teilhabe sei aber eigentlich politische Aufgabe erklärt Julian Lagemann weiter.

Alexandra Schoo fragt in die Runde: „Verbessert die Kindergrundsicherung die Teilhabe von Kindern und Jugendlichen?“

Dazu erklärt Lisa Paus, dass sich Treffen in Cafes und andere Freizeitaktivitäten oft Geld kostet, und das können sich viele nicht leisten. Viele Kinder sind durch Armut stigmatisiert und haben dadurch nachgewisenermaßen schlechtere Chancen im Leben. Es sei nicht zuletzt ökonomisch unsinnig, 20% der Kinder zurücklassen, wenn auf der anderen Seite ein Mangel an Arbeits- und Fachkräften existiere.

Ein sozialeres Bildungssystem ist zwar von einem Großteil der Bevölkerung gewollt, aber die Realität sei oft eine andere. So hat es einen positiven Volksentscheid in Hamburg zu längerem, gemeinsamen Lernen gegeben, aber die Schulen wurden nicht angenommen. Wohlhabende wollten außerdem integrative Schulen nicht.

Bärbel Brengelmann-Teepe spricht einen weiteren Aspekt an. Schuleingangsuntersuchungen zeigten, das Kinder aus sozial schwachen Verhältnissen hinter den anderen zurück liegen. Jedes Jahr Kita verbessert für diese Kinder die Situation.

Alexandra Schoo ergänzt dazu. dass es im Kreis Steinfurt zunehmend Probleme mit der Kinderbetreuung gibt, und das dies vor allem ein Problem für sozial schwache Familien ist, die sich private Betreuung nicht leisten könnten.

Julian Lagemann schildert, dass die Ausfinanzierung von Jugendarbeit immer zu niedrig ist, nicht nur auf Bundes- sondern auch Landes- und Kommunalebene.

Lisa Paus weist in diesem Zusammenhang noch auf das Programm „Zukunfstpaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit“ hin. Hier können Projekte (auch Mikroprogramme) Förderungen für unterschiedliche Programme beantragen.

Weiter führt Sie aus, dass der größte Teil der geforderten 12 Mrd. € für die Kindergrundsicherung Ansprüche deckten, die bereits heute vorhanden sind, aber nicht abgerufen werden. Darüber hinaus sei es ein Problem, dass Kinder nicht auf Steuerfreigrenzen/Existenzminimum angerechnet werden. Die Kindergrundsicherung sollte das Existenzminimum sichern, tut es aber noch nicht.

Im Anschluss wird von Alexandra Schoo eine Fragerunde an das Podium gestartet. Hier nur 2 der Fragen:
Frage: Warum definiert man keinen Grundbedarf und befriedigt diesen? Der Aktueller Betrag der Kindergrundsicherung reicht dazu nicht.

Bärbel Brengelmann-Teepe ergänzt dazu, dass der aktuelle Kindergrundbedarf nach Studien des Paritätischen bei 746€ läge. Dieser wird durch die maximal ca. 350€ Kindergrundsicherung deutlich unterschritten.

Antwort Lisa Paus: Bereits die aktuelle Kindergrundsicherung zwischen 250€ (Garantiebetrag) und max. 350€ (inkl. Zusatzbetrag) erfordert ein Budget von 12 Mrd. € im Bundeshaushalt. Zwar hätten Familien auf ein Großteil dieses Betrags bereits heute Ansprüche, sie würden aber kaum geltend gemacht. Diese nicht abgerufenen Ansprüche werden als Spardose genutzt und für andere Dinge ausgegeben. Trotzdem wird er schwierig werden, mit dem Finanzminister über dieses Summe zu streiten. Damit sei eine Kindergrundsicherung in Höhe von 746€ zwar wünschenwertes Ziel, aber aktuell illusorisch.

Frage: Warum werden Kinder und Jugendliche bei der Kindergrundsicherung nicht besser beteiligt?

Antwort Lisa Paus: Tatsächlich hat man Kinder und Jugendliche beteiligt. Es sei erstaunlich, wie vernünftig und realistisch Kinder und Jugendliche das Thema diskutieren. Es kommen keine überzogenen Forderungen, sondern sehr realistische Einschätzungen Kinder würden außerdem bestimmte Bedürfnisse ganz anders bewerten als Erwachsene. Deshalb sei es sehr wichtig, sie in die politische Arbeit einzubinden, z.B. durch Jugendparlamente etc. Auch bei der Kindergrundsicherung habe man sie deshalb als Betroffene eingebunden.

Zum Schluss weist Lisa Paus noch auf eine Veranstaltung im Mai hin, den Kinder- und Jugendbeteiligungstag. Sie lädt dazu 1000 Kinder nach Berlin zu einem Kongress ein. Ziel war eigentlich viele ähnliche Aktionen gleichzeitig auch mit anderen Gremien, Vereinen und Projekten in unterschiedlichen Orten zu machen. In diesem Jahr war dazu die Zeit zur Organisation zu kurz aber vielleicht findet dann eine größere Aktion im nächsten Jahr statt. Alle sind eingeladen, sich dazu Gedanken zu machen und Aktionen zu planen.

Als Fazit des Abends versammeln sich das Podium hinter der Aussage: „Wir wollen Kinder mit Bock auf Zukunft“

Ein kurzer Eindruck von einem tollen Abend im Sportwerk von Markus Bültbrune.