Ergänzungsantrag: Photovoltaikpflicht Industrieweg

Beschlussvorschlag

Der Rat der Gemeinde Wettringen beschließt, den Entwurf des Bebauungsplans Nr. 71 „Erweiterung Industrieweg“ um folgende Vorschrift zu ergänzen:

  1. Für neu errichtete Gebäude wird die Verpflichtung zur Installation einer Anlage zur Solarenergienutzung (Photovoltaik oder Solarthermie) festgesetzt. Die Anlage muss eine Größe von mindestens 50 % der Grundfläche des Gebäudes haben. Die Verpflichtung gilt auch für vorhandene Bestandsgebäude, wenn eine grundlegende Dachsanierung erfolgt. Zur Erfüllung dieser Pflicht kann die Dachfläche auch an Dritte verpachtet werden.
  2. Von den o. g. Verpflichtungen können Ausnahmen zugelassen werden, wenn eine Solaranlage nachweislich nicht wirtschaftlich betrieben werden kann (z. B. wegen vorhandener Verschattung des Gebäudes) oder das Gebäude nicht bzw. nicht in gefordertem Umfang für eine Solarnutzung geeignet ist (z. B. bei einem Störfallbetrieb).

Begründung

Der Rat hat den Klimaschutz unter Punkt 1 seiner Ziele für das Jahr 2022 (siehe Haushaltssatzung) festgesetzt. Eine klimagerechte Bauleitplanung kann erheblich zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen.

Obwohl sich Photovoltaikanlagen (PV) auf Industriegebäuden in der Regel wirtschaftlich errichten und betreiben lassen, ist der größere Teil der Gewerbebetriebe noch nicht mit einer PV ausgestattet. Es ist leider zu erwarten, dass ohne eine Festsetzung auch Gebäude im Gewerbegebiet ohne PV entstehen würden. Dabei ist eine starke Belastung der Betriebe durch die PV-Pflicht nicht zu erwarten, da die Einspeisevergütung bereits im Abschreibungszeitraum die Investitionskosten einspielt. Bei einer teilweisen Eigennutzung wird die Wirtschaftlichkeit noch deutlich gesteigert. Die Nachfrage nach Gewerbegrundstücken ist größer als das Angebot und die Hebesätze für Gewerbesteuer sind im landesweiten Vergleich sehr niedrig. Die PV-Pflicht ist daher für die Betriebe zumutbar. Durch die Solarenergienutzung wird der zu erwartende Flächenverbrauch im Gewerbegebiet teilweise kompensiert bzw. für die Allgemeinheit mit einem Nutzen verbunden.

Bisher gibt es keine Regelungen, die die Nutzung für Solarenergie vorsehen. Es ist zu erwarten, dass die neue Landesregierung und die neue Bundesregierung Regelungen erlassen, die zu einer PV Pflicht auf Gewerbegebäuden führt. Allerdings sind diese Pläne bisher nicht konkret, so dass bis zu ihrem Inkrafttreten noch Jahre vergehen können. Außerdem ist nicht zu erwarten, dass eine Änderung der Bebauungspläne mit PV-Pflicht erforderlich wird, falls eine dieser Landes- oder Bundesregelungen in Kraft treten.

Für eine Festsetzung der Solarpflicht in einem Bebauungsplan müssten städtebauliche Gründe vorliegen (§ 9 Abs. 1 BauGB). Lange Zeit war umstritten, ob die globale Aufgabe des Klimaschutzes einen hinreichenden städtebaulichen Grund für eine Solarpflicht darstellen kann. Im Rahmen der Klimaschutznovelle wurde im BauGB aber klargestellt, dass Bauleitpläne dazu beitragen sollen, den Klimaschutz und die Klimaanpassung, insbesondere auch in der Stadtentwicklung zu fördern. Inzwischengibt es auch in der Literatur vermehrt die Einschätzung, dass zumindest in den Gemeinden mit klimapolitischen Grundsatzbeschlüssen (im Kreis Steinfurt Klimaneutralität bis 2040, in Wettringen Ziele des Haushalts) eine Solarpflicht möglich ist, wenn diese im jeweiligen Bebauungsplan konkret begründet wird. Sowohl das Rechtsgutachten von Prof. Grigoleit für den Landtag NRW vom 01.12.2020 als auch ein Rechtsgutachten von Dr. Longo für die Klimaschutz- und Energieagentur Niedersachsen vom 01.03.2021 teilen diese Auffassung. Auch das BVerfG hat in seinem historischen KlimaschutzBeschluss von 24.03.2021 die Bedeutung des Klimaschutzes hervorgehoben und die Pflicht des Staates zur Sicherung zukünftiger Freiheitsrechte, die von zu späten Klimaschutzmaßnahmen betroffen werden könnten, festgestellt. Auch wenn dies in erster Linie den Gesetzgeber betrifft, wurden hier die Belange des globalen Klimaschutzes allgemein hervorgehoben. Das ist insbesondere bei einer Abwägung zwischen den öffentlichen und privaten Belangen gem. § 1 Abs. 7 BauGB bei Festsetzungen im konkreten Bebauungsplan zu berücksichtigen.

Grundlage der Festsetzung ist § 9 Abs. 1 Nr. 23 Buchst. b) BauGB. Danach können im Bebauungsplan Gebiete festgesetzt werden, in denen bei der Errichtung von Gebäuden bestimmte bauliche Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien getroffen werden müssen. Inzwischen haben einige Kommunen in Bebauungsplänen eine Solarpflicht festgesetzt. In Marburg gibt es inzwischen über 30 Bebauungspläne mit solchen Festsetzungen. Auch in Senden wurde in 2021 in einem Bebauungsplan eine solche Regelung getroffen. Die Stadt Münster hat 14.06.2022 beschlossen in alle Bebauungsplänen eine Solarpflicht aufzunehmen. Für weitergehende Ausführungen wird auf die Beschlussvorlage V/0319/2022 des Rats der Stadt Münster verwiesen.

Festgesetzt werden kann die Verpflichtung zur Installation einer solchen Anlage. Die Nutzung der installierten Anlage kann dagegen nicht verlangt werden. Die Nutzung hat keinen bodenrechtlichen Bezug. Außerdem könnte es einen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen, wenn jemand verpflichtet würde, gewerblich Strom zu veräußern (die Einspeisung des selbst erzeugten Stroms in das Netz der Stadtwerke ist eine gewerbliche Tätigkeit). Da es in der Praxis vermutlich kaum ein Bauvorhaben geben wird, in der eine Solaranlage zwar errichtet, aber nicht genutzt wird, stellt dies keine Beeinträchtigung der angestrebten höheren Solarstromerzeugung dar. Die technische Entwicklung zur Nutzung der Solarenergie ist sehr schnell. Inzwischen gibt es auch Anlagen, die sowohl Strom als auch warmes Wasser erzeugen (sog. Tandemanlagen). Bei der Formulierung der Festsetzung muss daher beachtet werden, dass diese auch für neue Entwicklungen offen sind.

Eine entsprechende Regelung ist auch über Kaufverträge zu erreichen. Diese Regelung wäre jedoch mit jedem Betrieb einzeln zu regeln und kann daher leichter den Verkaufsverhandlungen zum Opfer fallen, als eine verbindliche Regelung im Bebauungsplan. Die Regelung im Bebauungsplan würde die privatrechtlichen Verträge vereinfachen. Eine solche Regelung würde auch bei einer Weiterveräußerung vor der Errichtung der PV bestehen. Außerdem könnte die Regelung nach einmaliger Ausarbeitung auf andere Bebauungspläne übertragen werden, so dass auch Grundstücke erfasst werden können, die nicht im Eigenturm der Gemeinde sind.